
Weniger ist mehr
Die Bemühungen um mehr Proportionalität in der Bankenregulierung tragen erste Früchte. Die Zeit ist reif für entschiedenere Ansätze, um vor allem kleinere Institute wirksam zu entlasten.
Ein Blick auf den schieren Umfang bankaufsichtsrechtlicher Normen offenbart das Grundproblem: Vor allem kleinere Banken werden mit dem immer weiter ausufernden Regelwerk formell überfordert. Die Komplexität der Regulierung ist inzwischen ein eigenes Risiko. Kleine Banken sehen sich zunehmend als „too small to comply“. Die Folgen sind an einer anhaltend hohen Zahl von Fusionen ablesbar. Dies läuft dem Stabilitätsziel entgegen, die Vielfalt des EU-Bankensektors zu erhalten und hat auf lange Sicht auch Auswirkungen auf bewährte Sicherungssysteme.
Der Versuch, die negativen Auswirkungen vor allem für kleinere Banken durch mehr „Proportionalität“ im Detail abzumildern, ist mehr als zehn Jahre nach Einführung der europäischen Bankenverordnung (CRR) im Ergebnis als gescheitert anzusehen. Die Arbeitsweise der treibenden EU-Institutionen ist immer noch die gleiche: Sehr spezifische Anforderungen an die großen Player unter Hinweis auf das Single-Rule-Book (einheitliches Regelwerk zur Harmonisierung des europäische Bankenaufsichtsrechts) auf alle noch so kleinen Banken in der EU auszurollen, versehen mit einem Quäntchen Proportionalitäts-Trost.
Der politische Wille zum Rückbau der Regulatorik auf EU-Ebene war in der Vergangenheit eher schwach ausgeprägt. Der zarte Ansatz im Zuge der CRR II ist auf halbem Weg steckengeblieben. Zwar wurde – insoweit richtungsweisend – eine Differenzierung der Institute in verschiedene (Größen-)Klassen eingeführt. Der Umfang der Entlastungen für „kleine und nicht komplexe Institute“ (SNCI) war insgesamt jedoch kaum der Rede wert.
Chance für Erleichterungen
Die jüngsten Initiativen für mehr Proportionalität haben dagegen das Potenzial, den beklagenswerten Zustand spürbar zu verbessern. Hervorzuheben sind dabei die Aktivitäten der verbundübergreifenden Arbeitsgruppe „Weniger ist mehr“, in der neben Vorständen von Genossenschaftsbanken und Sparkassen unter anderem BVR, DSGV und BWGV aktiv sind.
Generell sind zwei Handlungsebenen zu unterscheiden.
1. Nationale Ebene
Auf dieser sind unter anderem mit der Aufsichtsmitteilung der BaFin zum Risikomanagement kleiner Kreditinstitute vom November 2024 erste Erfolge zu verzeichnen. Weitergehende Vereinfachungsvorschläge werden in den angekündigten „MaRisk-Review“ eingebracht, der im zweiten Halbjahr 2025 startet. Ein wichtiges Signal seitens der BaFin wurde mit den strategischen Zielen für 2026 bis 2029 gesetzt. Danach will sich die BaFin in der Bankenaufsicht für ein Kleinbankenregime einsetzen. Wegweisend auch die Non-Comply-Erklärung bezüglich der Risikomanagement-Leitlinien für ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Gerade die 1:1-Umsetzung von EBA-Leitlinien war in der Vergangenheit Quelle stetig zunehmender Formalisierung. Weitere Entlastungsvorschläge wurden auf nationaler Ebene etwa im Rahmen des Umsetzungsgesetzes für die CRD VI-Richtlinie eingebracht.
2. Europäische Ebene
Für die großen Weichenstellungen kommt es aber letztlich auf die EU-Ebene an. Auch hier gibt es hoffnungsvolle Zeichen, nachdem der Wind des Bürokratieabbaus zuletzt auch dort als leichte Brise spürbar ist. Das ist absehbar das „dickere Brett“, denn für einen Rückbau bestehender Vorschriften des Single-Rule-Book braucht es bekanntlich Mehrheiten im EU-Parlament und im Rat. Und leider haben nicht viele Mitgliedstaaten ein echtes Interesse an Erleichterungen für kleinere Institute, schlicht weil es dort kaum noch welche gibt.
Neuer Ansatz benötigt
Auf der europäischen Ebene sollte „groß gedacht“ werden, denn bislang hat das Wirken im Detail zwar an der einen oder anderen Stelle noch Schlimmeres verhindert, in Summe aber keine wirkliche Entlastung gebracht. Die hier früher bereits vertretene Meinung, dass es entschiedenerer Ansätze bedarf, dringt inzwischen immer mehr durch.
Ein Blick ins Nicht-EU-Ausland zeigt, dass es durchaus Alternativen zur „reinen Lehre“ des Single-Rule-Book gibt. So verzichtet etwa die Schweiz bei der Regulierung kleiner Banken auf risikoadjustierte Eigenmittelanforderungen zu Gunsten einer hart kalibrierten Leverage-Ratio von acht Prozent. In den Genuss des „Kleinbankenregimes“ können Institute mit einer Bilanzsumme von maximal 15 Milliarden CHF kommen, sofern bestimmte qualitative Kriterien eingehalten sind. Solche und ähnlich „radikale“ Ansätze, wie zuletzt auch im Vereinigten Königreich, sind auch in der EU vonnöten.
Voraussetzung für eine Erfolgsaussicht ist ein entschiedenes Auftreten Deutschlands in den EU-Institutionen. Deshalb ist politische Überzeugungsarbeit elementar. Und es bedarf klarer und überzeugender Konzepte, die mehrheitsfähig sind. Hieran wird im Verbund sowie verbundübergreifend gearbeitet. In Baden-Württemberg gibt es dafür übrigens die volle Unterstützung der Landespolitik.
Bei allen Vorschlägen steht der materielle Kern jeweils außer Frage. Es geht also nicht etwa darum, weniger Eigenkapital vorhalten zu müssen. Ziel ist vielmehr eine Regulierung, die auch für kleinere Institute passt. Dazu gehört unter Umständen auch die Bereitschaft zu konservativen aber tragbaren Kalibrierungen. Der „Preis“ hierfür darf natürlich nicht unangemessen hoch sein. Das immer wieder gehörte Argument angeblicher Wettbewerbsverzerrungen geht übrigens schon deshalb ins Leere, weil es auf der „anderen Seite“ gerade die größten Banken sind, denen de facto erhebliche Eigenkapital-Vorteile durch den IRB-Ansatz zur Verfügung stehen – unter Inkaufnahme allerdings sehr hoher formeller Hürden. Aktuell öffnet sich ein echtes Fenster der Möglichkeiten. Es gibt Unterstützung aus der Aufsicht und der Politik – zumindest grundsätzlich. Es gilt den aktuellen Trend in Richtung „Bürokratieabbau“ konsequent zu nutzen und Regulierung einfacher zu machen.
Impuls von der Bundesebene
BaFin und Bundesbank überraschten mit ihrer Veröffentlichung vom 19. August. Mit ihrem „Non-Paper“ zur Differenzierung der Kapitalanforderungen folgen sie der Forderung nach einer grundlegenden Vereinfachung der Regulierung für kleine und mittlere Banken. Nun gilt es, Europa zu überzeugen.



