
Mehr als eine Rechtsform
Verantwortungseigentum, Gemeinwohlökonomie, Gemeinnützigkeit. Viele Prinzipien, hinter denen ein Modell liegt: die eingetragene Genossenschaft.
Die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft (eG) erfreut sich im Allgemeinen und vermehrt auch im Hinblick auf die gemeinnützige eG einer stetig größer werdenden Beliebtheit in der Bevölkerung. Durch ihre besondere Governancestruktur eignet sich die eingetragenen Genossenschaft eG diesbezüglich in hervorragender Art und Weise. Sie stellt mit Ihrem Prinzip der Selbsthilfe eine Alternative zur klassischen Kapitalgesellschaft dar. Zugleich bietet sie eine Alternative zum Idealverein, dem die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke untersagt ist.
Gemeinnützigkeit
Die eingetragene Genossenschaft ist eine Kooperation, die darauf ausgerichtet ist, durch eine dauerhafte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ihren individuellen Förderauftrag zu verfolgen. (Grosskopf, Münkner, Ringle 2009: 35 ff.). Von gemeinnützigen Organisationen wird hingegen dann gesprochen, wenn das Verhalten der Körperschaften dem Gemeinwohl dient. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bedeutet, dass keine Gewerbe- und Körperschaftssteuern an das Finanzamt abzuführen sind. Hierbei muss beachtet werden, dass nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten im steuerrechtlichen Sinn als gemeinnützig eingestuft werden. Die Abgabenordnung (§ 52) gibt Auskunft über die steuerrechtlich anerkennbaren Tatbestände. Andere Zwecke, die ebenfalls dem Gemeinwohl dienen, sind demnach nicht zwangsläufig gemeinnützig.
Spätestens seit den Diskussionen im Rahmen der Genossenschaftsnovelle im Jahre 2006 konnte abschließend geklärt werden, dass auch die eingetragenen Genossenschaft gemeinnützige Zwecke verfolgt kann. Genossenschaftliche Kooperationen bieten sich unter anderem für Zusammenschlüsse von Personen zur Unterhaltung einer gemeinnützigen Einrichtung (zum Beispiel Schulen oder Schwimmbäder) oder für den Betrieb gemeinnütziger Einrichtungen (beispielsweise Genossenschaften der Daseinsvorsorge oder medizinische Versorgunszentren) an. Verfolgt man aus steuerrechtlichen Gründen die Absicht, eine eG als gemeinnützig anerkennen zulassen, sind einige Aspekte zu beachten. Die Tätigkeit der Genossenschaft muss darauf gerichtet sein, die Allgemeinheit zu fördern, was die Frage aufwirft, ob dies mit dem mehrfach erwähnten Streben nach einer Förderung der Mitglieder vereinbar ist. Die Finanzverwaltungen haben hier gewisse Kriterien festgesetzt, an denen abgeleitet werden kann, ob eine Förderung der Allgemeinheit oder nur der Mitglieder erfolgt. Ein Beispiel ist in diesem Zusammenhang, dass ein Eintritt in die Genossenschaft grundsätzlich jedem Interessierten möglich sein muss. Ebenfalls ein Merkmal in diesem Kontext ist die Höhe eventuell erhobener Mitgliedsbeiträge. Diese dürfen nicht so hoch angesetzt werden, dass sie in der Praxis ein Ausschlusskriterium hinsichtlich des Beitritts für gewisse Personengruppen werden. Die in Genossenschaften übliche Gewinnthesaurierung ist hingegen kein Ausschlusskriterium. Denn seit der Anerkennung der gemeinnützigen „Mini-GmbH“ (Unternehmergesellschaft) ist bestätigt worden, dass bestimmte Rechtsformen Rücklagen bilden und trotzdem gemeinnützig sein können. (Winheller, S.; Zeller, C.: Die gemeinnützige Genossenschaft – Historische Rechtsform erstrahlt in neuem Glanz. In: Fundraising Echo, 01/2013, S. 1–5).
Gemeinwohlökonomie
Im Oktober 2010 verbreitete sich mit dem Start der Gemeinwohlökonomie ein Wirtschaftsmodell mit dem Ziel die Idee einer ethisch orientierten Ökonomie in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, gemeinwohl-orientierte Unternehmen und Gemeinden zu unterstützen sowie sich für die Verankerung auf politischer Ebene einzusetzen. Bei der Gemeinwohl-Ökonomie wird das Streben nach dem Wohl von Mensch und Umwelt zum obersten Ziel des Wirtschaftens (Gemeinwohlökonomie – Ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft. https://www.ecogood.org/de/ (https://www.ecogood.org/de/)). Wichtiges Alleinstellungsmerkmal von Genossenschaften ist unter anderem der verbindlich in jeder Satzung festzuschreibende und individuell ausgestaltbare Förderzweck, der wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Art sein kann. Genossenschaften verfolgen keinen Gewinnmaximierungseffekt, sie müssen jedoch stets sicherstellen, dass ihre Kosten gedeckt sind, was die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Unternehmensführung und somit die Erfüllung des genossenschaftlichen Förderauftrags ist. Zudem decken genossenschaftliche Kooperationen viele der in der Gemeinwohlökonomie besonders betonten Werte ohne besondere Bemühungen ab, denn sie sind in der Governance-Struktur seit jeher verankert.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)
Derzeit gibt es die Bestrebung die Einführung einer weiteren Rechtsform voranzutreiben: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV). Zwei Aspekte stehen hier im Mittelpunkt:
Selbstbestimmung – die Stimmrechte, liegt bei aktiven Unternehmern
Vermögensbindung – die Gewinne sind Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck
Den Akteuren kommt die Leitungsmacht über ihr Unternehmen zu, ohne Zugriff auf den Unternehmensgewinn und das in der Gesellschaft gebundene Vermögen (sogenannter „Asset lock“). Unternehmer verstehen sich damit als Treuhänder des Unternehmens. Verantwortungseigentum ist eine Alternative zu herkömmlichen Eigentümerstrukturen. Sie soll es ermöglichen die Unabhängigkeit und Werteorientierung eines Unternehmens rechtlich bindend in der DNA eines Unternehmens zu verankern.
Fazit
Vergleicht man die den Genossenschaften zugrundeliegenden Werte mit Unternehmen bzw. Initiativen, die sich der der Gemeinnützigkeit, der Gemeinwohl-Ökonomie oder in jüngster Vergangenheit der GmbH-gebV verschrieben haben, werden Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten deutlich. Bei einer Genossenschaft schließen sich mindestens drei natürliche oder juristische Personen zusammen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Der Förderauftrag steht im Mittelpunkt, nicht die Gewinnmaximierung. Der Betrieb einer Genossenschaft als gemeinnützige Körperschaft vereint die Vorzüge der Rechtsform der eG und die steuerlichen Privilegierungen des Gemeinnützigkeitsrechts.
In Hinblick auf die Gemeinwohlökonomie bleibt festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um eine Rechtsform handelt, sondern um einen Ansatz zur Etablierung eines alternativen Wirtschaftssystems. Die Orientierung der wirtschaftlichen Tätigkeit an Aspekten wie Gemeinwohl, kooperativer Zusammenarbeit, Beachtung der Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung stehen im Mittelpunkt. Dieses Bestreben ist in der eG bereits angelegt. Genossenschaften können Gemeinwohl erzeugen, unabhängig davon, ob sie als gemeinnützig anerkannt sind oder nicht. Das heißt, ihre Bemühungen bezüglich der Erfüllung des Förderzwecks erzeugen oftmals positive Effekte, die nicht nur ihren Mitgliedern zu Gute kommen.
So kann man sich in Hinblick auf die GmbH-gebV die Frage stellen, ob tatsächlich ein neues Rechtskonstrukt von Nöten ist oder ob bestehende Unternehmensformen wie der Verein oder die eG nicht ausreichend Spielraum und Potential bieten, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Dies gilt zudem vor dem Hintergrund bewährter Strukturen, die sich einem traditionellen Wertekanon verpflichtet haben und zugleich stets agil und innovativ auf neue Herausforderungen reagieren können. Viele der genossenschaftlichen Werte haben in den letzten Jahren wieder viel Zuspruch erfahren und es gibt einige Studien, die aufzeigen, dass sich zahlreiche Überschneidungen mit gesellschaftlich als wichtig erachteten Leitbildern und Werten identifizieren lassen.